Wir haben ein Problem

Ende Januar wurde in Hannover eine Studie vorgestellt zum Thema sexualisierte Gewalt in der ev. Kirche. Das Ergebnis ist fürchterlich und schreit zum Himmel. Es belastet mich, dass es so ist.

Denn es ist vielfach dazu gekommen, das Schutzbefohlene ausgenutzt, das Vertrauen missbraucht wurde. Und das Ganze – so muss man sagen – hatte System, weil die Institution versagt, nicht für ausreichend Schutz sorgte und dann im zweiten Schritt, und ich nenne das in Anlehnung an den jüdischen Schriftsteller Ralf Giordano, „die zweite Schuld“, nicht für Respekt und Unterstützung der Betroffenen sorgte, sondern die Täter schützte.

Unser Superintendent Frank Weber schreibt an die Gemeinden deshalb:
„Es kann und darf es nicht darum gehen, institutionelles und persönliches Verhalten zu rechtfertigen und zu verteidigen. Es gibt nichts zu beschönigen!

Wir müssen das viel zu lange Schweigen durchbrechen.
Wir müssen Menschen auch und gerade bei uns ermutigen, erlebtes und erlittenes Unrecht öffentlich zu machen.

Die Studie will uns aus Erschrecken und Sprachlosigkeit zum Handeln führen“

Und konkret für er an:

  • „Unser Mitgefühl, aber auch unser Handeln muss und wird bei den Betroffenen seinen Ausgang nehmen …
  • Wir ermutigen alle, die in unseren Gemeinden und Einrichtungen diesem Leid ausgesetzt waren, es öffentlich zu machen.
  • Wir arbeiten daran, damit diese Dinge in der Zukunft nicht mehr geschehen. Die Aufarbeitung der Vergangenheit und die Prävention sind bleibende Aufgaben auf allen Ebenen unserer Kirche.
  • Wissen Sie von Verdachtsfällen? Sprechen Sie uns an!“

Unser Presbyterium hat Anfang des Jahres einen Verhaltenskodex zum Schutzkonzept beschlossen, das Yvonne Preiß und ich final bearbeitet haben. Es regelt sehr konkret und z.T. bis zum Fiebermessen, was wir von Mitarbeitenden im Umgang mit Schutzbefohlenen erwarten.
Der Text ist in unseren Kirchen und Häusern ausgehängt und regelt vor allem das Verhältnis von Nähe und Distanz im Umgang miteinander. Außerdem ist die Vertrauensperson unseres Kirchenkreises benannt, die unabhängig und vertraulich für Betroffene und in Verdachtsfällen arbeitet.

Das ist Sonja Christine Neuroth, fon 0157 839 88 604, mail sonja_christine.neuroth[at]ekir.de

Es gibt weitere Maßnahmen wie eine generelle Schulungspflicht für alle in der Kirche Mitarbeitende, das ist schon angelaufen und wird ausgebaut.

Denken wir nicht, so etwas kann bei uns nicht passieren. Wer so denkt, der meint, er sei besser, so wie es viele in der evangelischen Kirche gegenüber der katholischen Kirche dachten. Wer so denkt, der erhebt sich, der macht sich auf Kosten anderer groß und ist schon gefährdet.

Deshalb: Achten wir aufeinander und halten die Augen auf - stützen wir indessen uns anvertraute Menschen und stützen wir Betroffene.

Mich ärgert, dass es bei der Datenfindung Schwierigkeiten gegeben haben soll und begrüße sehr, dass die Westfälische Kirche gemeinsam mit der Rheinischen Kirche hier eine eigene Initiative startet.

Thomas Gerhold

Link zum Text des Verhaltenskodex